Eine Dienstreise nach Griechenland

Am Ende des Jahres 2018 war eine Ausbildungsleiterin unseres Kirchenkreises dienstllich in Griechenland. Seit mehreren Jahren gibt es Kooperationen europäischer Schulen, die es ermöglicht, dass Ausbildungspraktika in einigen Berufen in anderen europäischen Ländern absoviert werden können.

Die langgjährige Ausbildungsleiterin Claudia Kock aus der Kita Langendamm wurde im Jahr 2018 von der BBS Nienburg eingeladen, daran teilzunehmen.

Lesen Sie dazu folgendes Interview, welches ich im Nachhinein mit ihr führte.

"Liebe Claudia, vor ungefähr einem Jahr bist du dienstlich, in Deiner Funktion als Ausbildungsleiterin, nach Griechenland gereist. Erzähle uns doch einmal mehr darüber!

Wie ist es zu der Reise nach Griechenland gekommen?

Die BBS Nienburg ist Mitglied in einem Netzwerk für europäische Ausbildungseinrichtungen. Weil wir auch die praktische Ausbildung begleiten, sind wir gefragt worden, ob jemand von uns eine der Reisen, die unternommen werden, um zu prüfen, ob sich Einrichtungen für den Austausch von Auszubildenden eignen, begleiten möchte. Als Ausbildungsleiterin hier in der Kita durfte ich mitfahren.

Ich musste alles selbst organisieren, hatte aber viel Unterstützung von der begleitenden Lehrkraft Uschi Brockmann und aus einem anderen Kindergarten flog auch noch eine Kollegin mit. Die Kosten der Reise übernahm die BBS. Wir sind schon einen Tag eher geflogen, um in Ruhe anzukommen und sind auch noch auf eigene Kosten einen Tag länger geblieben. Die Reise ging direkt nach Athen, von unserem Balkon aus konnten wir sogar die Akropolis sehen.

 

Wie war der Ablauf des Programmes dort?

Am ersten Abend sind waren in der Partnerschule der BBS eingeladen, die Mitarbeitenden haben uns alles gezeigt und sich und die Ausbildung vorgestellt. Besonders interessant fand ich, dass die älteren Schüler sich irgendwann entscheiden müssen, ob sie studieren oder eine Ausbildung machen wollen und dann geht nur das, sie können das nicht nochmal switchen. Im griechischen Schulsystem müssen sie sich auch für eine private oder eine staatliche Einrichtung entscheiden, erstere kostet natürlich Geld. Alle Familienmitglieder unterstützen die schulische Ausbildung ihrer Verwandten, sollte ein Kind besondere Begleitung brauchen, wird auch das von der Familie organisiert, nicht wie bei uns, von der Schule oder dem Gesundheitsamt.

Am zweiten Tag unseres Aufenthaltes begann das Job- Shadowing, bei uns würde man Hospitieren sagen, das heißt, an dem einen Tag sind wir in die Privatschule gefahren, an dem anderen in die Staatliche. Dort haben wir den Vormittag verbracht, d.h. wir haben am Rand gesessen, haben den Unterricht verfolgt und konnten auch mit den Lehrern sprechen. Nachmittags haben wir uns dann noch mit allen ausgetauscht, alle Teilnehmer hatten ja unterschiedliche Einrichtungen und Erfahrungen. Die teilnehmenden Schulen haben uns zum griechischen Essen eingeladen und uns noch Besonderheiten der Gegend gezeigt. Am letzten Tag war dann noch ein Abschlussgespräch.

 

Wie ist Athen und warst du schon mal in Griechenland?

Athen ist eine großartige Stadt, wir haben auch dort eine Stadtrundfahrt gemacht, man kann dort wirklich viel erleben. Ich selbst war auch noch nie in Griechenland und hatte mir das lustigerweise sowieso für letztes Jahr auf die Fahne geschrieben. Als dann das Angebot der Berufsschule kam, konnte ich kaum ablehnen… Die Menschen dort sind sehr freundlich, haben uns alles gezeigt und sind sehr herzlich, auch zu den Kindern. Wir haben die Akropolis gesehen, eine Landschildkröte ist uns über den Weg gelaufen, denn Athen ist wirklich grüner, als man denkt, eine alte römische Straße konnten wir uns anschauen und die älteste Kirche, die war ganz klein und dunkel. In Piräus waren wir auch, der Hafen ist natürlich besonders sehenswert. Einmal waren wir auch am Meer, da haben wir drei Frauen uns einfach in die Straßenbahn gesetzt und sind in die entsprechende Richtung gefahren und sind dort rumgelaufen. 

Wie wird man in Griechenland Erzieher*in?

Das ist in jedem Fall eine schulische Ausbildung, so ähnlich wie bei uns. Sie nennen sich KIndergartenteacher, durften aber nicht mit in das Lehrerzimmer, es scheint so eine Art Hilfslehrer zu sein.

 

Hast Du einen Unterschied gemerkt zwischen der staatlichen und der privaten Schule?

Ja, es gab Unterschiede, z. B. gab es in der privaten Schule viel mehr Schüler mit Handicap. Da war z.B. ein Junge, der noch extra Betreuungspersonal hatte, die Frau kam um acht und ging mittags nach Hause. Der Junge blieb dann noch bis zum Mittag und ging dann nach Hause.

 

Was hast du an den Schulen sonst noch im Vergleich zu unseren erlebt?

Mittags bringen die Familien den Kindern das Essen oder sie nehmen es morgens mit und es wird warm gemacht.

Die Kindergärten sind ein bisschen wie Schulen, die Kinder saßen an Sechsertischen zusammen und es gab immer mehrere Einheiten hintereinander, z.B. malen oder kneten. Die Bilder oder Kunstwerke wurden von der Teacherin dann bewertet. In meiner Gruppe waren vier-bis fünfjährige Kinder, auch die saßen schon den ganzen Vormittag am Tisch. Die Einheiten waren so ca. 20 Minuten lang und eine ging in die andere über. Ob das am Nachmittag anders war, kann ich gar nicht sagen, wir blieben ja nur bis mittags. Platz für Kreativität war gar nicht, alle malten den gleichen Zettel aus oder bastelten das Gleiche. Zwischendurch sind die Kinder manchmal kurz zu ihrer Erzieherin gegangen, haben sich mal kurz knuddeln lassen und machten dann weiter.

 So richtig Platz zum Spielen ist in den Gruppenräumen auch nicht, weil da überall die Tische stehen. Eine Teacherin hatte sich besondere Mühe gegeben und ein kleines Zelt mit Puppen aufgebaut, da konnten die Kinder dann zwischendurch kurz damit spielen, aber so eine Intensität wie bei uns entsteht da nicht.

Wenn dann mal Pause war, konnten die Kinder raus gehen, es gab aber keine Geräte oder Spielsachen draußen, alles war betoniert und drumherum waren hohe Zäune.

Ich habe erlebt, dass da ein Blumenkübel mit Erde war, da haben sich ein paar Kinder ein wenig Wasser geholt und haben dort heimlich gematscht. Es war auch sehr laut auf dem Hof, die Kleinen konnten nur Fangen spielen und es gab einen Ball für die Jungs.

Die Kinder können nach dem Mittagessen abgeholt werden, einige blieben aber wohl auch länger.

 

Wenn Du Dir aussuchen könntest, ob Du deine Kinder in Griechenland oder hier in die Kita gibst, wie hättest du Dich entschieden?

Man muss wissen, was man will, ob man für sein Kind möchte, dass es weiter Kind ist. Das konnte ich dort nicht so sehen. Spielen, so wie ich es kenne, moddern, mal unbeobachtet in einer Ecke sein, woran ich mich auch aus meiner Kindheit noch erinnern kann, findet gar nicht statt.

Die Familien möchten natürlich, dass Ihre Kinder studieren, dass sie im besten Fall die Familie ernähren können. Es liegt ein ganz schöner Druck auf den Kindern, dass die Familie sie so puscht und so viel für eine gute Ausbildung der Kinder opfert.

Das ist bei uns in vielen Familien auch so, aber man möchte ja auch, dass sein Kind glücklich ist und dass es gerne morgens aufsteht. Hier ist es insgesamt viel freier, es gibt es ja auch die Möglichkeit, noch nach einer Ausbildung zu studieren, in Griechenland musss man den eingeschlagenen Weg weiter gehen.

 

Was war denn Dein eindrücklichstes Erlebnis an deine Zeit in Griechenland?

Ja, das war in der einen Schule, als wir dort waren, das war kurz vor dem 25. März, ein griechischer Nationalfeiertag, da wird der Sieg über die Türken gefeiert. Da wurden verschiedene Dinge mit den Kindern eingeübt, Lieder, Tänze usw. Wir Gäste durften weit vorne sitzen, es waren aber auch ganz viele Familien da. Die Kinder waren hübsch angezogen, die Mädchen mit Kopftuch, Rock und weißen Blusen, die symbolisierten Maria, hatten auch ein Puppenbaby dabei. Die Jungs waren in Landesfarben, blau und weiß angezogen und hatten Gewehre dabei. Auch die kleinen Dreijährigen waren schon dabei und wurden auf die Bühne gebracht, manche weinend... Es wurden Lieder gesungen und die Kinder haben Bewegungen dazu gemacht. Mama und Papa freuten sich und winkten und die Kinder auf der Bühne haben geweint.

Mich hat das traurig gemacht, dass die Kinder da gar keinen Spaß bei hatten, sondern so gegängelt wurden. Die Kinder waren hinterher fix und fertig und ich bin froh, dass das bei uns nicht mehr so ist, sondern dass die Kinder sich entscheiden können, ob sie etwas mitmachen.

 

Was möchtest Du zum Schluss noch sagen?

Diese Europass- Geschichte ist schon eine großartige Sache, wer diese Möglichkeit hat, sollte sich das auf keinen Fall entgehen lassen. Natürlich geht das nur, wen man Englisch spricht.

Danach hatten wir hier eine Finnin, die bei uns drei Monate hospitiert hatte. Die hat nur Englisch gesprochen, das war sehr herausfordernd. Auch unsere Auszubildenden haben die Möglichkeit, im europäischen Ausland zu hospitieren, nicht nur drei Monate, sondern auch länger, bis zu einem Jahr, leider nehmen das nur wenige wahr.

 

Vielen Dank, liebe Claudia, für das Gespräch! Ich bin gespannt, wer von unseren Ausbildungsleiterinnen als nächstes ins Ausland fahren darf!"

 

Sandra Siegmund